Noa Gur
Feld
In der neuen Arbeit Feld (2018) von Noa Gur (*1980) verbindet die Künstlerin unterschiedliche Perspektiven des Körpers mit Praktiken des Sehens.
Die BetrachterInnen werden zum aktivierenden Element der raumgreifenden Installation, die als manipuliertes Narrativ fungiert. Die BetrachterIn ist aufgefordert, ein Video überwachtes, monochrom-grünes und schräg angelegtes Farbfeld zu begehen, in dem drei kleinformatige Acrylbilder an der Wand hängen und museale Podeste mit unterschiedlichsten kulturell kodierten Objekten schräg platziert sind.
Das monochrome, grüne Feld referiert ebenso Ideen der Farbfeldmalerei, wie seinen inhärenten Diskurs um das Gefühl des Sublimen und seine Bedeutung für die Technologie des Green- bzw. Blue Screens im Film. Jean-Francois Lyotard diskutierte in seiner Schrift The Sublime and the Avant-Garde (1983) diese Bezugsfelder.* Darin verdeutlicht er, dass Barnett Newmans monochrome Arbeiten, in dunklem Blau und Rot der 1940er Jahre, wichtige Impulsgeber für die abstrakten Expressionisten wie Mark Rothko, Jackson Pollok und Clifford Still waren. In der von ihnen entwickelten Farbfeldmalerei gaben sie dem Gefühl des Sublimen, der sogenannten „nowness“ neuen Raum.
Sie bezieht sich auf den von Edmund Burke im 18. Jhd. aufgebrachten Begriff des Sublimen, als eine Art emotionale Aufladung des Betrachters durch die Darstellung von unvorstellbarer Unermesslichkeit, Zerstörung, Raum und Unendlichkeit. Eine Tradition von malerischen Effekten entstand darauf hin in Antwort auf Burkes Annahme, die der Philosoph Emmanuel Kant um die Idee einer grenzenlosen Natur und ihrer umfassend subjektiven Erfahrung erweiterte, die im 19. Jhd. ihren Höhepunkt erfuhr. Die Erfahrung des Romantischen Sublimen war stets aufgeladen mit gegenläufigen, extremen Gefühlswelten von Schmerz und Vergnügen, Angst, Depression oder Hochgefühlen.
In der Erweiterung soll die sensorische Erfahrung von Farbe, wie in der Farbfeldmalerei, ebenso Gefühle auslösen, wie sie Newman durch die Auflösung der Figuration in Farbe, gleichsam vom Betrachter einforderte.
Das Erhabene als dominierender Aspekt der Werke Newmans ist gekoppelt an die Zeitempfindung des Jetzt, an den Augenblick, an die Präsenz und den Körper.
Sie ist zudem Ausdruck einer Krise, durch die Auflösung der eigenen Persönlichkeit in Emotionen im unendlichen Raum. Dieser entkörperte Raum im Farbfeld hat starke Bezüge zum technologisch entkörperten Raum im Green Screen, wie er u.a. für Science-Fiction Filme benutzt wird, in dem paradoxerweise doch Bildhaftigkeit und Verkörperung durch Abwesenheit von Farben wiederum entsteht.
Verschiedene Gefühlswelten, fordert Noa Gur in der Installation ein, wie durch die Schrägsetzung des grünen Feldes in den Galerieraum und der Podeste, in das sich die BetrachterInnen aktiv begeben müssen. Das grüne Feld ist zugleich Museums Display, sowie Farbfeld à la Rothko & co und realer Green-Screen. Die Künstlerin setzt realen gegen nicht- realen Raum, und Körper gegen als fremd wahrgenommenen Körper. Denn die BetrachterIn wird gefilmt und sieht sich gleichzeitig im Monitor durch die Installation laufen. Sofort stellt sich ein Gefühl der Fremdheit und physischen Unbehagens ein.
Überwachung, Kontrolle und Wahrnehmung, des als fremd empfunden Körpers im ebenso fremden Raum, - wie hier im Monitor -, sind grundlegende Themen im Werk von Noa Gur. Damit hinterfragt sie soziale und ästhetische Autorität sowie kulturelle und ethnische Andersheit durch künstlerische Interventionen.
Denn Videokameras in Banken, Kaufhäusern und an öffentlichen Plätzen, von Algorithmen gesteuerte Werbung und persistente Cookies im Internet, staatliche Vorratsdatenspeicherung und private Cloud-Speicherdienste – im Alltag sind permanente Beobachtung und Data Sharing allgegenwärtig. Überwachung und Big Data sind gesellschaftlich relevante Themen.
Überwachung beschränkt sich heute nicht mehr nur auf visuelle Kontrolle, unsere gesamte Existenz wird aktuell in nie dagewesenem Maße fotografiert und visualisiert. Das wirft neue Fragen nach freiwilliger/unfreiwilliger Sichtbarkeit und gleichzeitiger Kriminalisierung auf, aber auch Fragen nach dem Beobachten und beobachtet werden. Von staatlich und behördlich genutzten Technologien bis hin zu alltäglichen Überwachungspraktiken.
Dr. Heike Fuhlbruegge