Terraforming refers to a process of modifying other planets in such a way that their atmosphere becomes similar to that of Earth, making them habitable by human beings. This idea, originally developed in the context of science fiction, has recently become increasingly popular in Silicon Valley. In times of climate change and talk of the Anthropocene era, people are reaching for extreme manmade solutions in the midst of overwhelming manmade problems: While on Earth, entire ecosystems are becoming more and more unstable and technical equipment is increasingly called upon to compensate for depleted natural resources (using up more resources in the process), the human ability to influence the environment and the atmosphere is being cast in a positive light and reimagined for the unspoiled scenery of another planet. Although ecosystems are at the heart of this thinking, it comes from an elevated perspective, from exterior control and creation, rather than from the vantage point of those who are integrated in these systems and understand that they need to be economical with available resources.
In Susi Gelb’s exhibition User-defined Landscape, this notion of terraforming is an at times implicit, at times explicit point of reference. Virtually all the works engage with – in one way or another – the principle of the atmospheric and the mechanism of immersion: A central light column perpetually changes colour temperature, putting the entire space and everything in it through different moods. The video of a waterfall, running on a hologram rotor, appears to be floating in the air without a frame, without a border, fraying into the surrounding space, seemingly immaterial.
Then again, there are other works that seem to take a step in the opposite direction. Precarious, their status uncertain, their appearance opaque, they are marked by fissures and cracks. They work with an upending, contorting and interleaving of opposites: In aquarium-like sculptures, rocks appear to be floating, bringing to mind miniature landscapes or planets; with torn-open, pedestal-like resin casts, the distinction between inside and outside becomes as brittle as that between work and display, and not least of all, there are fragments whose origin is difficult to grasp at first, which appear equally organic and technical, resembling rubble or clods of dried-out soil. In either case, the principle of terraforming is taken up here not just by way of immersion; it is also depicted. And this establishes a distance, literally a rupture: the dry, cracked earth versus the bubbling water; the closed system of a vortex driven by a mixer.
Art as well, speaking very generally, is a form of creating worlds. And an exhibition is always a “user-defined landscape” that is determined as much by the artist as by the viewing public. Yet, art – at least in its manifestation as so-called contemporary art – is also an act of reflective questioning and of putting oneself at a distance conceptually; it means breaking with the created atmosphere. Susi Gelb’s works move precisely in this tension: between plunging in and shaking off the water. Lines blur and are drawn again. Going in headlong, then taking a step back. Here, complete immersion, there, the very idea is being countered. After all, there is never an unbroken unity to all that is. There is always a crack that runs through. Through this world – our world – and the next.
Dominikus Müller
(Translation: Kennedy-Unglaub Translations)
Der Begriff Terraforming bezeichnet den Prozess andere Planeten umzuformen, sodass sie eine erdähnliche Atmosphäre ausbilden und für den Menschen bewohnbar werden. Im Silicon Valley erfreut sich diese ursprünglich aus der Science-Fiction stammende Idee in letzter Zeit wieder großer Beliebtheit. Wie in einer Schubumkehr wird in Zeiten von Klimawandel und der Rede vom Anthropozän die Flucht nach vorne angetreten: Während auf der Erde selbst ganze Ökosysteme immer mehr ins Ungleichgewicht geraten und technische Apparaturen vermehrt als Substitute für erschöpfte natürliche Ressourcen herhalten sollen (und dabei noch mehr Ressourcen verbrauchen), wird die menschliche Beeinflussung von Umwelt und Atmosphäre vor der unverbrauchten Kulisse eines anderen Planeten noch einmal neu durchgespielt und positiv umgeschrieben. Man denkt zwar in Ökosystemen – aber eben von einer herausgehobenen Position der Beherrschung und Kreation aus und weniger vom Standpunkt derer, die in diese Systeme eingeschlossen sind und mit den Ressourcen haushalten müssen.
In Susi Gelbs Ausstellung „User-defined Landscape“ fungiert die Idee des Terraforming als mal impliziter, mal expliziter Referenzpunkt. So gut wie alle Arbeiten hier spielen in unterschiedlicher Art und Weise mit dem Prinzip des Atmosphärischen und dem Mechanismus der Immersion: eine zentrale Lichtsäule, die beständig den Farbton ändert und so den gesamten Raum und alles darin in wechselnde Stimmungen versetzt; das Video eines Wasserfalls, das auf einem Hologramm-Ventilator läuft und dadurch frei im Raum zu stehen scheint, ohne Rahmen, ohne Begrenzung, ausfransend in seine Umgebung hinein und scheinbar immateriell.
Dann aber sind da auch wieder andere Werke, die genau den gegenteiligen Schritt zu gehen scheinen. Prekär und unbestimmt im Status und opak in der Anmutung, sind sie gezeichnet von Brüchen und Rissen. Sie arbeiten mit der Umstülpung, Verdrehung und Verschränkung von Gegensätzen: die aquarienartigen Skulpturen, in denen Steine zu schweben scheinen, die wie Miniaturlandschaften oder Planeten wirken; die aufgerissenen, sockelartigen Harzgüsse, in denen die Unterscheidung von Innen und Außen ebenso brüchig wird wie die zwischen Werk und Display; nicht zuletzt jene Bruchstücke erst einmal nicht bekannten Ursprungs, die gleichermaßen organisch wie technisch wirken, wahlweise wie Bauschutt oder Schollen ausgetrockneten Bodens. Sowieso wird das Prinzip des Terraforming hier nicht nur im Sinne der Immersion nachvollzogen, sondern gleichzeitig abgebildet. Und damit wird wieder Distanz etabliert, ein buchstäblicher Bruch vollzogen: die trockene, rissige Erde vs. das sprudelnde Wasser; das geschlossene System eines Strudels, der von einem Rührgerät angetrieben wird.
Auch Kunst ist, ganz allgemein gesprochen, eine Form des Weltenschaffens. Und eine Ausstellung ist stets eine „User-defined Landscape“, definiert ebenso von der Künstlerin als Produzentin als auch den Rezipient*innen. Doch Kunst – zumindest in ihrer Ausprägung als sogenannte zeitgenössische – ist ebenso ein Akt der reflexiven Befragung und des Einnehmens von konzeptuell verstandener Distanz, kurz: der Bruch mit der geschaffenen Atmosphäre. In genau diesem Spannungsverhältnis bewegen sich Susi Gelbs Arbeiten: Hin und Her zwischen Eintauchen und Ausbrechen. Verschwimmen der Grenzen und ihr erneutes Ziehen. Hals über Kopf hinein und einen Schritt zurücktreten. An einem Ende wird an der Immersion gearbeitet, am anderen wird diese Vorstellung wieder durchkreuzt. Auch das Allumfassende ist ja stets: nicht eins. Denn durch die Welt geht ein Riss. Immer. Durch diese, durch unsere, durch die nächste.
Dominikus Müller