In the exhibition Sour Well the artists Christiane Blattmann, Sharon Van Overmeiren and Henrik Potter present works dealing with the subject of time, using similar approaches and sensitivities. Be it with the past, the here and now, the future or compressed time. We store our lives as memories, always under new visual influences that we must reclassify in their ambiguity, each in our own way. The artists duplicate, reproduce or question our own frozen memories, giving us the space to make our own associations and to indulge in thought.
A physical, an almost human closeness is conveyed by the works of Henrik Potter. They are created in relation to the body of the artist and to the body of the viewer when they are perceived. For this exhibition, the artist has made new large-scale works on site. They divide the exhibition space, occupying the gallery walls and acting as backgrounds to others’ works. Their softness stands in contrast with Blattmann's and Van Overmeiren's artistic positions, but at the same time they serve as a mediator between the artists' perspectives. Potter's works, through their translucent and ephemeral surfaces, subordinate themselves as a mere architectural intervention to the other works in the exhibition, yet the appear to us as pieces in their own rights. In their materiality of wooden stretcher frames, stretched bleached muslin with a clay-glue mixture and highly diluted oil paint, they appear delicate and light from a distance. Yet, if we step closer, we see a partly scratchy surface with embroidery and painting. A similar gentle as well as rough touch is inherent in Henrik Potter's paintings. For these he transforms, among other things, others’ works of art and brings them back to their own physicality. They are never copies, yet they inevitably carry the original within them. These contrasting impressions are also reflected in his creative process, in which he prepares his works with meticulous care, only to implement them with sometimes complete carelessness, or tenderness, or even care.
Sharon Van Overmeiren's works emerge more out of the spiritual than the physical. She combines seemingly arbitrary, unconscious memories in Holds in Custody and Shades from the sun, using cultural-historical artifacts and artistic references as her medium. She detaches old images, symbols and found forms from their original context. Using chance as her tool, she reconnects her impressions seemingly without any discernable semantics. She mixes moods and feelings to stimulate us to think about problems and questions of today: How do we perceive images? What kind of values do we have? How does society and consumption influence us in our spirituality? With her works she tries to find answers to all these questions in a optimistic way. In their creation they are already reproductions of the experienced and remembered, so consequently she relies on the concept duplication also in the phase of production. In the exhibition she presents her hybrid sculptures made of natural beeswax in three copies. Her unconscious inspirations are never exactly revealed, and yet in some moments we are not entirely unaware of them. Van Overmeiren's works pick us up on an unconscious level of memory. The artist intentionally withholds a clear interpretation or explanation of the sculptures to allow everyone to make their own associations, which immediately creates a closeness between the viewer and the work.
The closeness between work and observer also plays a major role in Christiane Blattmann's work. With Watershed #2, the artist addresses the ambiguity between inner and outer spaces. The wall piece stands symbolically for this and is a continuation of works from the previous exhibition The Law. With the motif of the entrance gate, one could think of Franz Kafka's prose text Vor dem Gesetz and of questions such as: Does a border run spatially or mentally? Do I want to be inside or outside? Who keeps me from crossing and who lets me through? Blattmann's masonry also brings us, as viewers, into a threshold situation and at the same time invites us, with the help of the charming and haptically interesting materiality of dyed jute and cast silicone, to approach closer. She also takes up the theme of inside and outside in her floor piece The Sediment, A Sentiment, A Threshold. The stove as a cold sculpture, that has the potential to be warm, refers at the same time with its anthropomorphic form to a physical body, which in turn introduces warmth. For the joint exhibition Sour Well, the three artists Christiane Blattmann, Sharon Van Overmeiren and Henrik Potter worked closely together on the curatorial concept, content, and design.
Text by Rosa Rodeck
Translation by Quirin Brunnmeier
In der Ausstellung Sour Well zeigen Christiane Blattmann, Sharon Van Overmeiren und Henrik Potter Werke, in denen sie sich in einer ähnlichen Sensibilität mit Thema Zeit auseinandersetzen. Sei es mit der Vergangenheit, dem Hier und Jetzt, der Zukunft oder der komprimierten Zeit. Unser Leben, in dem wir Erinnerungen speichern, immer wieder unter neuen visuellen Einflüssen stehen, die wir in ihrer Mehrdeutigkeit neu einordnen müssen, bildet jede*r auf seine Art und Weise ab. Die Künstler*innen vervielfältigen, reproduzieren oder hinterfragen teilweise die eigene eingefrorene Erinnerung und geben uns dabei den Freiraum selber Assoziationen zu knüpfen und sich den Gedanken hinzugeben.
Eine körperliche, und damit eine menschliche Nähe, vermitteln die Werke von Henrik Potter. Sie entstehen in Beziehung zu seinem eigenen Körper und zum Körper des Betrachtenden, wenn wir sie empfangen. Für die Ausstellung fertigte der Künstler vor Ort neue großformatige Arbeiten an. Sie teilen den Raum, bespielen die Galeriewände oder fungieren als Hintergrund. Ihre Sanftheit steht im Kontrast zu den Positionen von Blattmann und Van Overmeiren, dient aber gleichzeitig als Vermittlerin zwischen den Künstlerpositionen. Potters Arbeiten ordnen sich durch ihre transluzente und flüchtige Oberfläche als architektonische Intervention unter, und erscheinen uns dennoch als präsentes eigenständiges Werk. In ihrer Materialiät aus hölzernen Keilrahmen, aufgespannter gebleichter Musselin, einer Ton-Leim-Mischung und stark verdünnter Ölfarbe, wirken sie aus der Distanz fein und leicht. Treten wir näher heran erkennen wir eine teils kratzige Oberfläche mit Stickerei und Malerei. Eine ähnliche sanfte und raue Note sind seinen Gemälden inhärent. Dafür transformiert der Künstler unter anderem berühmte Kunstwerke und bringt sie zurück in ihre Körperlichkeit. Es handelt sich dabei niemals um Kopien, dennoch tragen sie unweigerlich das Original in sich. Die kontrastreichen Eindrücke spiegeln sich auch in seinem kreativen Prozess wider, in dem er mit extremer Sorgfalt seine Arbeiten vorbereitet und in völliger Nachlässigkeit umsetzt.
Mehr aus dem Geistigen als dem Körperlichen heraus, entstehen die Werke von Sharon Van Overmeiren. Sie kombiniert in Holds in Custody und Shades from the sun scheinbar willkürlich unbewusste Erinnerungen und nutzt kulturgeschichtliche Artefakte und künstlerische Referenzen als Medium. Sie löst alte Bilder, Symbole und gefundene Formen aus ihrem ursprünglich Kontext heraus. Als Werkzeug nutzt sie dabei den Zufall, um ihre Eindrücke scheinbar ohne jegliche Semantik neu in Verbindung zueinander zu setzen. Sie vermischt Stimmungen und Gefühle, um uns anzuregen über Probleme und Fragen der heutigen Zeit zu nachzudenken: Wie rezipieren wir Bilder? Was für Werte haben wir? Wie beeinflusst uns die Gesellschaft und der Konsum in unserer Spiritualität? Mit ihren Werken versucht sie auf eine optimistische Weise Antworten auf all diese Fragen zu finden. Bereits in der Entstehung handelt es sich um Reproduktionen des Erlebten und Erinnerten, weswegen sie auch im Falle der Herstellung auf die Vervielfältig setzt. Ihre hybriden Skulpturen aus natürlichem Bienenwachs präsentiert sie jeweils in dreifacher Ausführung in der Ausstellung. Ihre unbewussten Inspirationen werden nie exakt nachgebildet und sind uns trotzdem in manchen Momenten nicht ganz unbekannt, da wir mit den Arbeiten von Van Overmeiren auf einer ebenso unbewussten Erinnerungsebene abgeholt werden. Eine klare Deutung oder Erklärung der Skulpturen hält die Künstlerin absichtlich zurück, um jedem die Möglichkeit zu geben, eigene Assoziationen mit den Werken zu knüpfen, was unmittelbar eine Nähe zwischen dem Betrachter und dem Werk erzeugt.
Die Nähe zwischen Werk und Betrachter spielt auch bei Christiane Blattmann eine große Rolle. Die Künstlerin widmet sich mit Watershed #2 der Mehrdeutigkeit vom Innen und Außen. Das Wandbild steht hierfür symbolisch und ist eine Fortführung von Arbeiten aus der vorherigen Ausstellung The Law. Bei dem Motiv des Eingangstors könnte man an Franz Kafka’s Prosatext Vor dem Gesetz denken und an Fragen wie: Verläuft eine Grenze räumlich oder mental? Möchte ich drinnen oder draußen sein? Wer hält mich vom Durchqueren ab und wer lässt mich durch? Das Mauerwerk von Blattmann bringt auch uns als Betrachter in eine Schwellensituation und lädt uns gleichzeitig, mit Hilfe der reizvollen und haptisch interessanten Materialität aus gefärbter Jute und gegossenem Silikon, dazu ein näher heranzutreten. Auch in ihrer Bodenskulptur The Sediment, A Sentiment, A Threshold greift sie das Thema des Innen und Außen auf. Der Ofen als kalte Skulptur, der allerdings das Potenzial hat warm zu sein, verweist zugleich in seiner anthropomorphen Form auf einen physischen Körper, der wiederum die Wärme einführt.
Für die gemeinsame Ausstellung Sour Well arbeiteten die drei Künstler:innen Christiane Blattmann, Sharon Van Overmeiren und Henrik Potter inhaltlich und gestalterisch eng an dem kuratorischen Konzept miteinander.
Text von Rosa Rodeck